Bauschutt als Rohstoff
Circa 60 Millionen Tonnen Bauschutt, das ist die Jahresbilanz des deutschen Baugewerbes. Der Abfall landet nahezu vollständig auf Deponien oder im Straßenbau. Recycling ist in der Baubranche noch nicht angekommen.
Damit so viele Bestandteile wie möglich wiederverwendet werden können, muss schon der Neubau so konzipiert sein, dass später beim Abriss oder bei einer Umgestaltung die Baustoffe leicht zugänglich sind und wieder zur Verfügung stehen. Um diese Idee durchzusetzen, sind aber ein Umdenken in der Architektur und wohl auch neue Gesetze erforderlich.

Beispiel 1: Recyclinghaus
Am Kronsberg im Süden von Hannover steht seit Sommer 2019 das bundesweit erste Recyclinghaus. Es handelt sich um ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 150 Quadratmetern. Die Fertigstellung dauerte ca. neun Monate. Am Projekt beteiligt waren Akteure aus der Bau- und Materialforschung, der Tragwerksplanung, der thermischen Bauphysik und dem Bauteilrecycling.
Genau genommen handelt es sich hier nur um ein 50%-Recyclinghaus. Wegen der anspruchsvollen Bauanforderungen konnte nur etwas mehr als die Hälfte des Baus mit wiederverwendeten Baumaterialien erstellt werden. Die neuen Materialien wurden allerdings so eingebaut, dass man sie später problemlos weiternutzen kann.
Im Haus befinden sich aufbereitete Holztüren aus einem alten Bauernhaus sowie Fensterrahmen, Ziegelsteine und Trittschalldämmungen aus Recyclingmaterial. Die Fassadendämmung besteht aus recycelten Kakaobohen-Jutesäcken, Treppenstufen und einige Sichtholzwände aus zerlegten Saunabänken. Bei Dichtungen, Wasserleitungen und konstruktiven Werkstoffen enden allerdings bisher die Möglichkeiten des Recycling. Hier entsprechen gebrauchte Baumaterialen nicht der Baunorm.
Probleme im Vorfeld stellten sich nicht nur bei der Beschaffung wiederverwertbarer Baumaterialien. Es war auch schwer, Fachbetriebe zu finden, die die Materialien recyceln und einbauen konnten. So sahen etwa die Energie-Vorschriften am Standort dreifachverglaste Fenster vor, die es gebraucht nicht gibt. Aus gebrauchten Fenstern mussten die Doppelverglasung ausgebaut, die Rahmen angepasst und drei neue Scheiben eingebaut werden. Das Haus hat eine Tragstruktur aus leimfreiem Holz. Für gebrauchte Bauelemente und -materialien gibt es noch keine Normen. Nachweise etwa zur Tragfähigkeit gebrauchter Stahlträger müssen einzeln erbracht werden.

Beispiel 2: Morphhaus
Angesichts all dieser ungelösten Probleme stellt sich die Frage nach einer schnell verfügbaren ökologischen Alternative zum Baurecycling. Das Morphhaus besteht nicht ausschließlich aus recycelten Materialien. Allerdings erfüllt es den Anspruch der Wiederverwendbarkeit der Materialien zu beinahe 100 Prozent.
Das Morphhaus kann in wenigen Wochen abgebaut und wieder aufgebaut werden. Montage und Demontage erfolgen zerstörungsfrei und ohne Rückstände. Die Gestaltung des Gebäudes ist flexibel. Etagenhöhen können ohne umfangreiche Umbaumaßnahmen, ohne Materialverlust und ohne Rückstände umgestaltet werden. Alle Materialien werden optimal, entsprechend ihrer Haltbarkeitsdauer, genutzt. Nachher können sie einem Recycling zugeführt werden. Es gibt bisher keine nachhaltigere Lösung als eine vollständige Wiederverwertung. Das Morphhaus stellt somit eine echte Alternative zum Recyclinghaus dar.
